Natürlichkeit leben – das klingt einfach. Und doch ist es eines der schwersten Dinge, sie im Alltag wirklich zu leben. Zwischen Terminen, Nachrichtenflut, Rollenbildern und Erwartungen scheint das, was sich natürlich anfühlt, oft keinen Platz zu haben. Oder wir haben vielleicht sogar vergessen, wie es sich anfühlt.
In unserem früheren Artikel „Was bedeutet Natürlichkeit?“ haben wir uns dem Wesen von Natürlichkeit angenähert – nicht als etwas, das man haben oder erreichen muss, sondern als etwas, das in uns wohnt. Doch wie kann das im Alltag aussehen? Wie lässt sich Natürlichkeit leben, wenn das Leben laut, fordernd und voll ist?
Was bedeutet es, natürlich zu sein – mitten im Trubel?
Natürlichkeit hat für uns nichts mit Konzepten oder äußeren Formen zu tun. Sie zeigt sich nicht daran, ob jemand barfuß läuft, im Wald meditiert oder keine Kosmetik benutzt. Natürlichkeit ist ein inneres Spüren, ein in sich Ruhen, ein Verbundensein mit dem, was gerade ist – innen wie außen.
Im Alltag heißt das für uns: ehrlich zu sein mit dem, was wir empfinden. Uns selbst zuhören, auch wenn das bedeutet, gegen Erwartungen zu stehen. Es kann heißen, Nein zu sagen, wenn alles Ja ruft. Oder Ja zu sagen, wenn das Herz aufmacht – auch wenn der Kopf zweifelt.
Es geht nicht darum, „immer natürlich“ zu sein. Sondern sich selbst immer wieder Raum zu geben. Raum für Unvollkommenheit, für Müdigkeit, für Lust und Freude, für Stille und Widerspruch. Natürlichkeit lebt da, wo wir nicht gegen uns arbeiten.
Wie kann Natürlichkeit im Alltag spürbar werden?
Es beginnt oft im Kleinen. Wenn wir morgens bewusst atmen, bevor wir das Handy einschalten. Wenn wir eine Pause zulassen, statt sie mit Ablenkung zu füllen. Wenn wir merken: „Das tut mir gerade nicht gut“ – und darauf hören.
Natürlichkeit zeigt sich, wenn wir nicht aus Funktionieren handeln, sondern aus Spüren. Das bedeutet nicht, alles stehen und liegen zu lassen. Sondern mit uns selbst in Kontakt zu bleiben, während wir tun, was zu tun ist.
Vielleicht heißt das, langsamer zu gehen, auch wenn alle rennen. Oder sich eine Tasse Tee zu machen, statt durchzupowern. Es kann heißen, in einer Unterhaltung ehrlich zu sagen: „Ich weiß gerade gar nicht, was ich fühle.“ Oder: „Ich brauche einen Moment.“
Diese kleinen Augenblicke sind nicht unbedeutend. Sie sind Wegweiser. Sie führen uns zurück zu dem, was echt ist. Und sie erinnern uns daran, dass Natürlichkeit nicht außerhalb unseres Lebens liegt – sondern mitten darin.
Warum ist die Natürlichkeit leben im Alltag so herausfordernd?
Oft sind es gar nicht die äußeren Umstände, die uns von unserer Natürlichkeit abbringen. Es sind die inneren Stimmen: „Du solltest…“, „So macht man das…“, „Das gehört sich nicht…“. Stimmen, die gelernt haben zu funktionieren, zu gefallen, zu leisten.
Diese Stimmen zu bemerken – ohne sie gleich zu bekämpfen – ist ein erster Schritt. Sie dürfen da sein. Und gleichzeitig dürfen wir fragen: Was ist gerade wirklich stimmig für mich? Was fühlt sich wahr an, auch wenn es ungewohnt ist?
Es braucht Mut, sich diesen Fragen zuzuwenden. Mut, sich selbst zu begegnen – ohne Maske, ohne Rolle. Und es braucht Freundlichkeit uns selbst gegenüber. Natürlichkeit lebt nicht von Disziplin, sondern von Annahme.
Wie kann ich meine Natürlichkeit wiederfinden?
Wir glauben: Sie war nie weg. Sie ist nicht etwas, das wir erst lernen oder schaffen müssen. Sie ist das, was bleibt, wenn wir alles andere mal loslassen.
Die Natur selbst kann uns darin ein Vorbild sein. Ein Baum fragt nicht, ob er richtig ist. Ein Fluss fragt nicht, ob sein Lauf gut genug ist. Wenn wir achtsam in der Natur sind, erinnern wir uns oft daran, wie es sich anfühlt, einfach zu sein.
Vielleicht magst du dich manchmal bewusst fragen: Was fühlt sich gerade natürlich für mich an? Wie würde ich handeln, wenn ich niemandem etwas beweisen müsste? Wie würde ich atmen, gehen, sprechen, wenn ich ganz bei mir wäre?
Diese Fragen müssen keine Antworten haben. Es genügt, ihnen Raum zu geben. Und vielleicht zeigt sich eine leise, klare Spur – die dich zu dir selbst zurückführt.
Was hilft, die Natürlichkeit im Alltag zu leben?
Natürlichkeit braucht keinen Plan. Aber es gibt Dinge, die sie sanft unterstützen – wie ein nährender Boden, auf dem sie wachsen kann.
Zum Beispiel Momente der Stille, in denen du einfach nur atmest. Zeit in der Natur, ohne etwas tun oder erreichen zu müssen. Gespräche, in denen du dich zeigen darfst, ohne dich zu erklären. Musik, die dich berührt, weil sie etwas in dir zum Klingen bringt. Menschen, bei denen du dich nicht verstellen musst.
All das erinnert uns daran, dass wir nicht erst besser, klarer oder stärker werden müssen. Wir dürfen jetzt da sein – genau so, wie wir sind. Nicht weil wir etwas geleistet haben, sondern weil das Leben durch uns fließt. Und das ist immer natürlich.
Das Wichtigste in Kürze
- Natürlichkeit zeigt sich im Spüren, nicht im Konzept.
- Sie wird lebendig in kleinen Momenten der Ehrlichkeit und Selbstwahrnehmung.
- Innere Stimmen und Erwartungen können uns von ihr entfernen – doch sie ist nie ganz weg.
- Achtsamkeit, Naturverbindung und Selbstfreundlichkeit nähren sie im Alltag.
- Natürlichkeit ist kein Ziel, sondern ein Dasein – mitten im Leben.
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