Es gibt Tage, da merken wir kaum, wie sehr wir im Kopf leben. Gedanken reihen sich aneinander, Fragen suchen nach Antworten, Pläne wollen gemacht, Entscheidungen getroffen werden. Und während der Verstand rattert, wird es still in uns. Nicht die wohltuende Stille, die wir manchmal in der Natur erleben. Sondern eine Leere, weil wir uns selbst nicht mehr wirklich spüren und dadurch nicht mehr fühlen. Nicht mehr fühlen was wir brauchen, um natürlich zu sein, echt zu sein.
Uns selbst wieder zu fühlen – das klingt einfach. Und doch ist es oft ein stiller, unbequemer Weg. Einer, der Mut braucht. Und der nicht über das Denken führt, sondern durch die Tür des Fühlens.
Wie fühlt es sich an, sich selbst nicht mehr zu spüren?
Manchmal bemerken wir es erst, wenn etwas nicht mehr funktioniert. Wenn die Gedanken kreisen, der Schlaf ausbleibt, der Körper sich mit Unruhe oder Spannung meldet. Oder wenn wir in einer Begegnung merken, dass wir gar nicht richtig da sind – dass wir zwar sprechen, zuhören, reagieren, aber innerlich entfernt bleiben.
Dieses Gefühl der inneren Abwesenheit kennen wir gut. Und es hat seine Gründe. Wir leben in einer Welt, die das Denken hoch schätzt. Analyse, Struktur, Effizienz. Doch das Fühlen – das direkte, lebendige Erleben – bleibt oft auf der Strecke. Vielleicht, weil es langsamer ist. Oder weil es uns anrührt, uns weich macht, uns erinnert, wie verletzlich wir sind.
Was geschieht, wenn wir uns wieder dem Fühlen zuwenden?
Es ist wie ein langsames Zurückkommen. Kein Knopfdruck, kein klarer Moment, sondern ein Prozess. Wir merken vielleicht zuerst, wie eng es im Brustkorb ist. Oder wie kalt die Füße sind. Oder dass uns Tränen in die Augen steigen, ohne dass wir genau wissen, warum.
Fühlen heißt nicht: Probleme lösen. Es heißt: wahrnehmen, was gerade ist. Ohne Bewertung. Ohne Ziel. Manchmal zeigt sich Freude, manchmal Traurigkeit, oft auch einfach nur Stille. Und genau da beginnt die Rückverbindung – mit dem, was wir wirklich sind.
Für uns beginnt dieser Weg oft in der Natur. Wenn wir draußen sind, ohne Agenda, ohne Wegstrecke, ohne Plan. Dann spüren wir, wie der Atem tiefer wird. Wie sich der Blick weitet. Und wie der Verstand leiser wird – nicht weil wir ihn abschalten, sondern weil wir ihm nicht mehr die Hauptrolle geben.
Wie kann Natur helfen, vom Denken ins Fühlen zu kommen?
Die Natur urteilt nicht. Sie fragt nicht, ob wir effizient, klug oder produktiv sind. Sie ist einfach da – atmend, lebendig, im Wandel. Wenn wir uns ihr zuwenden, ganz ohne etwas von ihr zu wollen, öffnet sich oft etwas in uns. Etwas, das nicht gemacht oder gewollt werden kann, sondern einfach geschieht.
Ein leiser Wind auf der Haut. Das Geräusch eines Vogels. Das Moos unter den Füßen. Solche Momente führen uns direkt ins Erleben. Sie holen uns aus der mentalen Schleife heraus und erinnern uns daran, dass wir mehr sind als unsere Gedanken.
In diesen Momenten beginnt sich oft etwas zu lösen. Nicht, weil wir daran arbeiten, sondern weil wir aufhören, dagegen anzukämpfen. Wir lassen uns berühren. Von einem Sonnenstrahl. Vom Duft der Erde. Vom eigenen Herzschlag.
Warum ist es manchmal so schwer, zu fühlen?
Fühlen macht uns verletzlich. Es öffnet uns – auch für das, was wir lieber nicht spüren möchten. Alte Schmerzen, ungestillte Sehnsüchte, Unsicherheiten. Deshalb ist es so verständlich, dass wir uns schützen. Mit Gedanken. Mit Aktivität. Mit Kontrolle.
Doch dieser Schutz hat seinen Preis: Er trennt uns von uns selbst. Und auf Dauer erschöpft er uns. Deshalb ist der Weg zurück ins Fühlen auch ein Weg der Annahme. Kein Kampf, keine Strategie – sondern eine Einladung, weich zu werden. Langsam. In kleinen Schritten.
Und dabei müssen wir nicht alles allein tun. Manchmal hilft ein stiller Raum. Ein Gegenüber, das nicht drängt. Ein Ort, an dem wir einfach sein dürfen. Und manchmal genügt schon ein bewusster Atemzug – ganz da, wo wir gerade sind.
Wie geht dieser Weg – vom Denken ins Fühlen – im Alltag?
Es braucht keine großen Veränderungen. Aber es braucht Aufmerksamkeit. Vielleicht ein Moment am Morgen, bevor der Tag beginnt. Vielleicht ein Innehalten zwischen zwei Terminen. Vielleicht ein Spaziergang ohne Handy, ohne Ziel.
Wir können uns immer wieder fragen: Was spüre ich gerade? Nicht: Was denke ich darüber? Sondern: Wie fühlt es sich an, hier zu sein – in meinem Körper, in meinem Herzen, in diesem Moment?
Manchmal ist da nur ein schwaches Echo. Manchmal eine klare Welle. Und beides ist gut. Es geht nicht um Leistung, nicht um Ergebnis. Sondern um Beziehung – zu uns selbst. Und darum, uns zu erlauben, wieder berührbar zu werden.
Das Wichtigste in Kürze
- Wir verlieren uns oft im Denken – und spüren uns dabei selbst nicht mehr.
- Fühlen bedeutet, dem zu begegnen, was in uns lebendig ist – ohne Ziel oder Bewertung.
- Die Natur kann ein Raum sein, der uns sanft zurückführt ins Erleben.
- Der Weg zurück ins Fühlen braucht Mut, Geduld und Annahme – kein Tun, sondern Sein.
- Kleine bewusste Momente im Alltag können Türen öffnen zu echter Verbindung mit uns selbst.
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